Doktor digital – die neue Rolle der Ärzteschaft in der Digitalisierung

09.07.2020
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen verändert nicht nur etablierte Versorgungsprozesse, sondern auch die Anforderungen an Arbeitsweisen und Kompetenzen. Vor allem Ärztinnen und Ärzte können diesen Wandel als Chance begreifen.

Der Beruf des Wagners war einst weit verbreitet – davon zeugt nicht zuletzt das Vorkommen des Nachnamens hierzulande. Mit Innovation der Mobilität durch Eisenbahn und Automobil wurde der Bau und das Ausbessern von Wagenrädern für Kutschen jedoch zunehmend irrelevant. Die Fertigkeiten und Kenntnisse haben sich jedoch weiterentwickelt und konnten für den Bau von Waggons oder Karosserien genutzt werden.

Wenngleich der Arztberuf nur bedingt mit dem des Wagners vergleichbar ist, so stehen Ärztinnen und Ärzte vor einer ähnlichen Herausforderung. Denn mit der Einführung von eRezept, der Verschreibung von Apps, der elektronischen Patientenakte und vielem mehr, wird Digitalisierung zunehmender Bestandteil des ärztlichen Alltags; oft getrieben von den Anforderungen der Patientinnen und Patienten an eine zeitgemäße Versorgung.

Am digitalen Scheideweg

Fakt ist: Wenn Ärztinnen und Ärzte in Zukunft weiterhin erste Anlaufstelle für ihre Patientinnen und Patienten bleiben möchten, werden sie sich mit der neuen digitalen Welt auseinandersetzen müssen. Wie so oft im Leben gibt es zwei Optionen: Festhalten am Bekannten oder die Chancen im Neuen suchen.

Auch wenn niemand in Zukunft einen verpflichtenden Abschluss in Informatik von der Ärzteschaft verlangen wird, müssen Ärztinnen und Ärzte zukünftig jedoch soweit technisch fit sein, dass sie auf digitaler Augenhöhe mit ihren Patientinnen und Patienten sind und z. B. grundsätzlich zur „App auf Rezept“ informieren und beraten können.

Zudem müssen sie sich mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, die der Einsatz von Daten für eine bessere Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten bietet. Der Aufbau von Digitalkompetenz sollte daher zukünftig integraler Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sein.

Insgesamt wird die digitale Transformation nicht allein von den derzeitigen Berufsgruppen zu stemmen sein. Ideen bezüglich möglicher zukünftiger Gesundheitsberufe lieferte zuletzt die Stiftung Münch anhand von drei Beispielen: von der Fachkraft für digitale Gesundheit über den Prozessmanager bis hin zum Systemarchitekten. Manches davon mag auf den ersten Blick fremd erscheinen, doch den anfangs erwähnten Wagnern wäre es im 19. Jahrhundert nicht anders ergangen, hätte man ihnen das Berufsbild des Mechatronikers vorgestellt.

Fazit

Die Zeichen der Zeit lassen die digitale Zukunft des Gesundheitssystems erkennen. Ärztinnen und Ärzte sollten und können die ihnen zustehende Rolle als Partner und Mitgestalter aktiv wahrnehmen. Davon profitieren am Ende Patientinnen und Patienten, durch eine bessere Behandlung, aber auch sie selbst, indem die Arbeit erleichtert und noch bessere Behandlungsergebnisse geschaffen werden können.

Wir sollten uns jedoch nichts vormachen: All dies bedeutet im ersten Schritt einen Mehraufwand, der oft gescheut wird und nicht nebenbei abgewickelt werden kann.

Deshalb muss von Anfang an klar und transparent sein, dass Leistungen angemessen honoriert werden und Kapazitäten geschaffen werden, sich mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Für das Befüllen der elektronischen Patientenakte ist eine Vergütung beispielsweise gesetzlich verankert. Darüber hinaus braucht es weitere Anreizsysteme, um digitale Vorreiter zu belohnen und zu motivieren.