Freigabemöglichkeiten für die eigenen Daten – für Patient*innen und gesunde Menschen

14.10.2020
Dr. Anna Christmann, Innovations- und Technologiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen und Obfrau der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale”, im Gespräch mit Thomas Möller, bvitg-Referent Politik.

Bild: © Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski

Welche in der Enquete-Kommission KI diskutierten Inhalte sind aus Ihrer Sicht im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI im Gesundheitswesen besonders relevant? Welche Aspekte sollten aus Ihrer Sicht möglichst zeitnah gesetzgeberisch oder anderweitig adressiert werden?

Ganz wichtig ist es jetzt, eine kohärente Strategie für die Digitalisierung und den Einsatz von KI im Gesundheitswesen aufzusetzen. Eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur ist die Grundlage für eine verbesserte Gesundheitsversorgung. Wir fordern hierfür einen “Digitalpakt Gesundheit”, bei dem Bund Länder diese Aufgabe gemeinsam angehen. Um die Menschen im Gesundheitsbereich mitzunehmen, fordern wir Weiterbildungsprogramme, welche die Mitarbeitenden bilden und ihnen einen sicheren Umfang mit der neuen Technik ermöglichen. Wir müssen bei der Entwicklung von KI von Anfang an auf Gleichberechtigung und Vielfalt setzen. Wird beispielsweise eine KI für die Bilderkennung von Hautkrebs nur mit Daten von Weißen Männern trainiert, wird sie für Schwarze Frauen schlechter funktionieren. Generell ist die Datenerhebung ein wichtiges Thema im Bereich KI, nur mit diversen Daten können die Systeme der Zukunft auch gerecht gestaltet werden.

Stand heute gibt es keinen einheitlichen und verlässlichen rechtlich-technischen Rahmen, der innovativen Unternehmen einen Zugang zu den für die Entwicklung KI-basierter Anwendungen nötigen Daten ermöglicht. Wie könnte diese Problematik aus Ihrer Sicht im Sinne der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen (industriellen) Gesundheitswirtschaft gelöst werden?

Patient*innen aber auch gesunde Menschen sollten verbesserte Freigabemöglichkeiten für ihre Daten bekommen. Selbstverständlich darf dies nur freiwillig und unter den Auflagen des Datenschutzes geschehen. Den Menschen, welche mit ihren Gesundheitsdaten die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland voranbringen möchten, sollte dies aber auch ermöglicht werden. Wir brauchen eine sichere Infrastruktur, auf der Daten zuverlässig geteilt werden können. Fehlende Daten sind aber nur ein Problem. Technische Anwendungen im Gesundheitsbereich unterliegen sehr langen Zulassungsverfahren, es ist schwierig, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Hier muss geprüft werden, welche Produkte schneller in die Anwendung gebracht werden können.

Wie beurteilen Sie die KI-bezogenen Aktivitäten auf europäischer Ebene (White Paper on AI, European Data Strategy)?

Den Ansatz des KI-Weißbuchs, die Kritikalität von Anwendungen in den Kontext ihres jeweiligen Sektors zu betrachten finde ich sinnvoll. Ein “intelligenter” Fußboden, der melden kann, ob ein alter Mensch in der Wohnung hingefallen ist, sollte strenger überprüft werden als ein regulärer Smart Home Fußboden, der von selbst die Fußbodenheizung reguliert. Das Weißbuch bleibt vielfach aber sehr vage. Immerhin gibt es bereits Gesetze und Regulierungen, welche auf maschinelles Lernen angewendet werden können. Welche konkreten Lücken es hier gibt, wird nicht besprochen. Das Ziel einen gemeinsamen Datenraum in Europa aufzubauen begrüße ich, denn nur europäisch können wir international wettbewerbsfähig bleiben.

Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe 04|2020 der E-HEALTH-COM.