Digitalisierung ist vor allem auch ein kulturelles Thema

17.03.2020
Julia Hagen, Director Regulatory & Politics beim health innovation hub (hih) des Bundesministeriums für Gesundheit, im Gespräch mit Valentin Willaredt, bvitg-Referent Presse & Kommunikation.

Bild: © Jan Pauls

Sie sind im vergangenen Jahr Jahr zum hih gewechselt – und haben damit wie Ihre MitstreiterInnen den Sprung von einer festen zu einer zeitlich befristeten Stelle gewagt. Was war Ihre Motivation?

Für mich war das Konzept „health innovation hub“ von Beginn an faszinierend. Hinzu kommt ganz klar das Timing: Gemeinsam mit dem BMG haben wir die Möglichkeit in den kommenden zwei Jahren für die Patienten, aber auch für die Leistungserbringer sehr viel zu bewegen. Immer mit Blick darauf, dass wir die Digitalisierung als nützliches Instrument betrachten, um die an der Behandlung Beteiligten zu entlasten und für nervtötende, redundante, analoge Standardprozeduren prozessunterstützende digitale Lösungen als Alternative ins Feld zu bringen. Der Zukunft bzw. Gegenwart ein bisschen auf die Sprünge helfen.

Welches persönliche Fazit ziehen sie nach etwas mehr als einem halben Jahr?

Es zeigt sich, dass noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Gleichzeitig sehen wir, dass das hih-Modell in viele Richtungen wirklich sehr gut funktioniert. Wir können im Zusammenspiel mit dem BMG, dem BfArM und anderen wichtigen Stakeholdern relevante Impulse liefern. Uns hilft es dabei sehr, dass wir die Freiheit haben, auch andere Wege zu gehen als üblich, z.B. im Rahmen unserer Roadshow zum DVG oder in Workshops mit Personen aus der Praxis – sei es aus der Pflege oder der Krankenhausversorgung. In diese Richtung wollen wir in diesem Jahr noch mehr unternehmen. Es bewahrheitet sich, dass Digitalisierung vor allem auch ein kulturelles Thema ist. Der Dialog, den wir in unserer eigenen Art gestalten ist für alle Beteiligten fruchtbar.

Das Team des hih wurde oft als „Trüffelschweine“ oder „Ideen-Staubsauger“ bezeichnet. Wie einfach gelingt der Transfer dieser Ideen und Innovationen in die Praxis?

Viele innovative Ansätze tun sich schwer zwischen Sektorengrenzen, Vergütungsmodalitäten, Berufsrecht etc. Für uns besteht die Kunst darin, an den richtigen Stellen über eine intelligente Nutzung der bestehenden Strukturen nachzudenken und die Frage aufzuwerfen, an welcher Stelle die bestehenden Strukturen verändert werden sollten. Unterm Strich funktioniert ein Transfer in die Praxis aber nur, wenn der Nutzen für alle Beteiligten ersichtlich ist. Was ein weiterer Grund für mehr Kommunikation ist.

Sie sind im stetigen Austausch mit verschiedenen Stakeholdern des Gesundheitswesens – wo sehen Sie die Hauptpunkte, bei denen hierzulande noch Überzeugungsarbeit geleistet werden muss?

Es geht tatsächlich nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Die Notwendigkeit zu handeln ist allen klar. Wir müssen die Diskussionen gemeinsam auf die Ebene konkreter Lösungen heben; den Nutzen in den Vordergrund stellen, damit es hier eine informierte Abwägung zwischen Kosten/ Risiko und Nutzen geben kann. Nur dann lässt sich ein faires Urteil über die Digitalisierung fällen und kann diskutiert werden, in welchen Bereichen der Nutzen das Risiko schlägt.

Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe 01|2020 der E-HEALTH-COM.


bvitg-Referent

Valentin Willaredt
valentin.willaredt@bvitg.de
Referent Presse & Kommunikation