Zwischenfazit zur DSGVO

28.09.2018

Die Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO, ein Wortkürzel mit Reiz-, Angst- und Frustpotenzial, ist seit nunmehr sechs Monaten in Kraft. Ziel war und ist es, europaweit einen einheitlichen Rechtsrahmen zur Erhebung, Speicherung und Nutzung von personenbezogenen Daten zu schaffen. Die befürchteten Abmahnwellen sind bisher zwar ausgeblieben, dafür herrscht vor allem im Gesundheitsbereich noch immer eine erhebliche Rechtsunsicherheit im Umgang sowie der Umsetzung des neuen Gesetzes.

In einer seiner ersten Reden ergriff Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Gelegenheit, um seine Prioritäten für die nachhaltige Verbesserung des deutschen Gesundheitswesens zu präsentieren und sich als Befürworter einer digitalen Gesundheitsversorgung zu positionieren: „Ich bin ein überzeugter Anhänger der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie ist Mittel zum Zweck, vieles für Patientinnen und Patienten besser zu machen.“

„Die gute Nachricht ist, dass die meisten Drohszenarien in Bezug auf die DSGVO bisher nicht eingetreten sind. Bedauerlicherweise sind der administrative und finanzielle Mehraufwand für die Unternehmen und Institutionen erheblich, während der generelle Umgang mit Daten, insbesondere in der Gesundheitswirtschaft, nach wie vor viele Fragen aufwirft. Insofern begrüßen wir den Referentenentwurf zum 2. DSAnpUG-EU. Leider fehlen auch im vorliegenden Entwurf nach wie vor für die Gesundheits-IT relevante Leitplanken“, so Chris ­Berger, Referent für Politik des bvitg, zu den aktuellen Bemühungen der ­Regierung, im Zusammenhang mit der ­DSGVO die notwendige Rechtssicherheit herzustellen.

Unter anderem wurde die Chance verpasst, innovative Einwilligungsmodelle für die Nutzung von Big-Data-Anwendungen zu definieren, es fehlt eine klare Begriffsbestimmung zur Definition von „anonymen Daten“ und es existiert ein Erlaubnistatbestand zur Nutzung von pseudoanonymisierten Daten im Sozialgesetzbuch V. Ohne einen einheitlichen Rechtsrahmen, der die Nutzung von versorgungs- und forschungsrelevanten Daten ermöglicht, ist eine berechtigte Weitergabe von diesen Daten auch mit einer Zustimmung der Patienten stark eingeschränkt. Dies gilt ebenso für diejenigen Bereiche, in denen die Nutzung der Daten durch die Privatwirtschaft (z.B. Anbieter medizinischer Software und Unternehmen der Medizintechnik) im Interesse des Patientenwohls und des öffentlichen Gesundheitsversorgungsauftrags liegt.

Das Artikelgesetz verdeutlicht zudem erneut, dass die Digitalisierung derzeit noch immer nicht in allen Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt wird, da z. B. viele Dokumentationsprozesse in den Sozialgesetzbüchern und anderen medizinisch relevanten Gesetzen weiterhin auf eine schriftliche Einwilligung oder einen Widerruf zur Verarbeitung von Daten setzen. Der Mehrwert der Digitalisierung des Gesundheitssystems liegt nicht in losen Datensätzen, sondern letztendlich in der logischen Verknüpfung und Nutzung der Datensätze aus den Datensilos. Big-Data-Anwendungen können hier auf Basis der Verknüpfung von Datensätzen einen spürbaren Mehrwert schaffen, beispielsweise im Bereich Population Health Management oder in der Bekämpfung von chronischen Volkskrankheiten und Multimorbidität.

Während die Bundesregierung bis Mitte 2019 damit beschäftigt sein wird, bereichsspezifische Anpassungen im „Sinne“ der DSGVO vorzunehmen, sollte bereits jetzt aktiv ein praxisnaher Rechtsrahmen für innovative Anwendungen im Bereich Data Analytics, Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) geschaffen werden. Die Datenschutz-Grundverordnung hat bisher nur eingeschränkt einheitliche und effektive Rahmenbedingungen schaffen können. Hierfür müssen Versicherte z. B. in Zukunft die Möglichkeit haben, ihre Daten für Forschungszwecke „spenden“ zu können, ohne eine konkrete Zweckbindung vorauszusetzen. Die von der Bundesregierung für 2019 geplante Daten-

Ethikkommission könnte wegweisende Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber aussprechen und somit den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken. Mit Spannung bleibt hier auch die bereits mehrfach angekündigte Regulierung seitens des BMG im Bereich Big Data zu erwarten.

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bvitg-Monitor I EHC 5-2018 (1,14 MB)

bvitg-Referent

Chris Berger
Referent Politik
chris.berger@bvitg.de