Wege zur digitalen Pflege

15.12.2020
Veranstaltungen
Am 10. Dezember lud der bvitg zu einer digitalen Ausgabe der Veranstaltung „Zukunft.Gesundheit.Digital.“ Insgesamt über 30 Expertinnen und Experten diskutierten notwendige Voraussetzungen für eine nutzenstiftende Digitalisierung der Pflege.

Die Digitalisierung kann viel Gutes bewirken – auch und besonders in der Pflegeversorgung. Noch steht sie dort aber relativ am Anfang. Um der Frage nachzugehen, welche Themen bzw Blickwinkel bei der digitalen Weiterentwicklung der Pflege berücksichtigt werden müssen, brachte der bvitg am 10. Dezember ausgewählte Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen zum digitalen Austausch zusammen.

Ethische Fragen und Praxiseinblicke

Nach der Begrüßung durch Sebastian Zilch, Geschäftsführer des bvitg, sowie einleitenden Worten des Moderators Philipp Grätzel von Grätz eröffnete Prof. Dr. Stefan Heinemann vom Universitätsklinikum Essen die Veranstaltung mit einem Impuls-Statement. Darin beleuchtete er die Themen Digitalisierung und Pflege aus einer ethischen Perspektive und thematisierte die Frage, ob die Pflege digital werden und gleichzeitig menschlich bleiben könne. Aus seiner Perspektive sei dies in der pflegerischen Versorgung eine größere Herausforderung als in der ärztlichen, da die Pflege noch stärker auf persönlicher Nähe und einer zwischenmenschlichen Verbindung fußt. Heinemann betonte gleichzeitig den großen potenziellen Nutzen digitaler Lösungen, um Prozesse zu vereinfachen und Beschäftigte in der Pflege von zeitraubenden Routinetätigkeiten zu entlasten.

Der anschließende Impuls von Michael Wehner, Leiter des Seniorenheims am Saaleufer in Bad Bocklet, ergänzte die ethische Perspektive anschließend mit Erfahrungen aus der Praxis. Wehner berichtete vom teils mühsamen Weg zur digitalisierten Einrichtung. Diesen hatte er schon 2008 mit dem Ziel eines Seniorenheims der neuen Generation beschritten, als in der Pflegebranche noch deutlich weniger Erfahrung als heute vorhanden war. Anhand anschaulicher Beispiele wie der papierlosen Dokumentation oder intelligenten Sensorsystemen n zeigte er zudem auf, wie in seiner Einrichtung digitale Technologie schon heute ganz konkret Arbeitsabläufe erleichtert.

Die Perspektive aus Politik und Industrie

Als Vertreterin aus der Politik folgte Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen. Sie betonte in ihrem Statement die ethisch-rechtliche Fragestellungen bei der Digitalisierung in der Pflege, da dabei sowohl sensible Gesundheitsdaten als auch schützenswerte Personen involviert seien. Aus ihrer Sicht brauche es bei der Digitalisierung eine strukturierte Beteiligung der professionell Pflegenden, weshalb ihre Partei eine Bundespflegekammer als Pendant zur Bundesärztekammer fordert.

Heiko Mania, bvitg-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des NursIT Institute GmbH nutzte seinen Vortrag, um darauf hinzuweisen, dass die Digitalisierung in der Pflege kein alleiniges Projekt der IT-Abteilung sein darf. Stattdessen betonte er die zentrale Bedeutung einer Teilhabe der Pflegefachkräfte, damit Mehrwerte und Entlastung im Vordergrund stehen können. Für eine erfolgreiche Digitalisierung der Pflege unterstrich er zudem die Notwendigkeit eines umfassenden Strategieplans – eine Forderung, welche der bvitg bereits gemeinsam mit weiteren Verbänden wie dem Deutschen Pflegerat in einem Grundsatzpapier gefordert hatte.

Die anschließende Diskussion wurde von den Teilnehmenden ausgiebig genutzt, um Fragen zu stellen oder neue Ideen einzubringen. Konsens war, dass eine Eins-zu-eins-Übertragung von Prozessen und Lösungen aus dem ärztlich-medizinischen Bereich nicht ausreichen wird, sondern die Digitalisierung der Pflege eine eigene Herangehensweise erfordert. Offene Fragen gebe es vor allem beim Thema Interoperabilität, wo teilweise die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Insgesamt sprachen sich die Teilnehmenden dafür aus, dass die Grundlagen für die digitale Pflege schon heute gelegt werden müssten und daher Inaktivität die mit Abstand größte Gefahr darstelle.

Die Veranstaltung war Teil der Reihe Zukunft.Gesundheit.Digital (Z.G.D.), für die der bvitg seit 2016 einmal jährlich Expertinnen und Experten aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen zu einem zentralen Zukunftsthema zusammenbringt.

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