Gastbeitrag: Medikationsplan – gemeinsam vorangekommen

21.01.2017

Bei der Vorstellung der Version 0.9 der AMTS-Schnittstelle der Apothekensoftwarehäuser auf der expopharm 2015 konnte niemand ahnen, dass nach gerade mal einem Jahr die geleistete Arbeit tausenden multimorbiden Patienten eine sicherere Arzneimitteltherapie bescheren würde. Einen entscheidenden Beitrag leistete die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem bvitg und Vertretern des HL7-Konsortiums im Rahmen der ersten Stufe des „E-Health- Gesetzes“ sowie die vertrauensvolle Unterstützung durch die Selbstverwaltung. Das gemeinsame Ziel einer besseren Versorgung ermöglichte eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Softwaresparten sowie der IT-Anbieter mit der Standesvertretung ihrer Kunden.

Mit dem Ergebnis maximiert sich der Nutzen des papierbezogenen Bundesmedikationsplans – insbesondere in der Zusammenarbeit der Ärzte untereinander, aber auch mit den Apothekern. Mit maximaler Informationsdichte, weitgehender Verwendung von Schlüsseln statt Freitext und eindeutigen Feldbezeichnungen haben die IT-Spezialisten die nach dem Gesetz verantwortlichen Standesorganisationen unterstützt und zugleich Zukunftssicherheit für künftige Stufen der Digitalisierung des Gesundheitswesens geschaffen.

Worum geht es?

Mit dem neuen § 31(a) SGB V bekommen ab dem 1.10.2016 Patienten mit drei und mehr Medikamenten ein Recht darauf, dass der Arzt einen Medikationsplan erstellt, aktualisiert und dem Patienten aushändigt. Nach der möglichen Aktualisierung durch die Apotheken dient der Plan Patienten und Angehörigen als Hilfe bei der täglichen Einnahme ihrer Medikamente.

Innerhalb weniger Wochen haben Experten der Apothekensoftwarehäuser und von Arzt-Informationssystemen, Vertreter des HL7-Konsortiums sowie von KBV, ABDA, BÄK, GKV-

Spitzenverband und DKG das ursprüngliche Barcode-Format an vielen Stellen verbessert, um einen sicheren Austausch der Informationen zwischen den Primärsystemen zu ermöglichen.

Wie verhindert man den „Stille Post“-Effekt?

Aufgrund der fehlenden zentralen Infrastruktur waren „Stille Post“-Effekte zu befürchten: Nicht eindeutige Spezifikationen führen im Laufe der Therapie, wenn der Plan von Arzt(system) zu Arzt(system) zu Apotheken(system) wandert, zu kleinen Interpretationsfehlern. Was auf einem Kindergeburtstag lustig ist, gefährdet beim Medikationsplan die Gesundheit von Menschen.

Mit dem Bundesmedikationsplan sah sich die Arbeitsgruppe aus bvitg, HL7 und ADAS einem für Papier optimierten Fixum gegenüber, welches nun für den digitalen Austausch erweitert werden musste. Das Team stellte sich den vielfachen Herausforderungen in sehr kurzer Zeit mit der jahrzehntelangen Erfahrung in Erstellung von Software für das Gesundheitswesen:

  • Auf Bewährtem aufbauen. Die Definitionen nutzen bewährte Standards der EDV: XML als strukturiertes Dokumentenformat sowie bekannte Methoden des Verkleinerns des Speicherbedarfs sind genauso in die Spezifikation eingeflossen wie bewährte medizinische Dokumentbeschreibungen, wie z. B. FHIR.
  • Schaffung eindeutiger Schlüssel. Je mehr Information als Schlüssel übertragen werden kann, desto besser ist es für die maschinengestützte Verarbeitung. Hier waren pragmatische Ansätze gefragt, um geeignete Schlüssel zu finden, die sowohl in Arzt- als auch Apothekensystemen gängig sind und hinreichend gleich interpretiert werden. Der direkte Draht von Software-Experten des bvitg und des ADAS war Schlüssel für eine schnelle Einigung auf höchstem Niveau.
  • Vollständigkeit der Information. Die Notwendigkeit zur vollständigen Information leuchtet ein, aber dies ist eines der größten Herausforderungen für die Experten. Es gibt so viele Details zu beachten und die Komplexität der Materie macht es unmöglich, einen vollständigen Überblick zu behalten. Die langjährige Erfahrung der Mitglieder der HL7-Initiative in Deutschland macht sie zu natürlichen Experten und Garanten für eine vollständige Definition auf engstem Raum.
  • Integrität des Zusammenspiels aller Elemente zu einem konsistenten Plan. Nach Maschinenlesbarkeit und Vollständigkeit wäre trotzdem alles nutzlos, wenn nicht integre logisch konsistente Medikationspläne mit dem Format erstellt werden können. Intensiv wurden Anwendungsfälle, Transformationen und jede Menge Besonderheiten erörtert. Ganz nebenbei ist eine große Zahl von Testfällen entstanden, die bei einer konsistenten Umsetzung in den einzelnen Primärsystemen helfen.
  • Nach der Spezifikation ist vor der Spezifikation: Erweiterbarkeit. Ein wesentliches Element der ADAS-AMTS-Schnittstelle – ihre Offenheit für Erweiterungen – hat es in die Spezifikation geschafft: Versionierung als Basis für Erweiterungen. Diese können schlichte Erweiterungen eines Schlüsselfeldes betreffen, die Regelung bislang unbekannter Sonderfälle, aber auch neue Anwendungsfälle sein.

Faktoren des Erfolgs

Ein wesentlicher Punkt ist das Projekt an sich: Der elektronische Medikationsplan und der Schub für eine Digitalisierung des Gesundheitswesens, welches vom „E-Health-Gesetz“ der Bundesregierung ausgehen kann. Mindestens genauso entscheidend ist eine neue Offenheit im Umgang miteinander über Grenzen der Berufsstände und in der Zusammenarbeit von bvitg und ADAS. Einen großen Beitrag leisteten die Pilotprojekte, wie z. B. ARMIN als Wegbereiter für das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit und Medikationsmanagement, welche eine neue Form der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen erfordert und auch möglich gemacht haben.

Am Ende sind es aber Einzelne, die ihre Möglichkeiten nutzen und mit Energie und Sachverstand die Lösung schaffen. So war es auch hier, wo ­Gerhard Haas (ADAS/ ADG), Kai U. Heitmann (HL7 Deutschland e.V.), ­Rico Tetmeyer (bvitg/ medatixx), Benjamin Neidhold (ADAS/ Pharmatechnik) und Frank Oemig (bvitg/ T-Systems) gemeinsam in kurzer Zeit eine pragmatische und leistungsfähige Spezifikation für den Datamatrix-Code auf dem Bundesmedikationsplan geschaffen haben.

Ausblick

Das offene direkte Angebot der Industrie an Verbände und Politik, die unkomplizierte Vorleistung sowie die Bereitschaft, Rat anzunehmen bei den Verbänden und Politik, waren ein voller Erfolg und sollten zur Regel werden. Gelegenheit dafür bietet das E-Health-Gesetz mit seinen Schritten zum volldigitalen Medikationsplan und zu der Möglichkeit einer Patientenakte schon in wenigen Monaten.