"Was muss getan werden, damit die Pflege in Deutschland digitaler wird?"

13.01.2021
Anlässlich des nahenden Wahljahrs 2021 geht der bvitg dieser Frage im Parteien-Kurz-Check gemeinsam mit den pflegepolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Bundestagsfraktionen auf den Grund.
 

Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Digitalisierung – damit verknüpfen manche Menschen Hoffnungen, andere eher Ängste. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft in der Mitte. Doch gerade für ältere und pflegebedürftige Menschen sowie für das Pflegepersonal bietet die Digitalisierung viele Chancen.

Voraussetzung für die Digitalisierung ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure – in erster Linie mit den Pflegebedürftigen selbst, in deren Dienst neue Technologien immer und überall stehen müssen. Dies gilt für alle Gesundheitsberufe. Es braucht daher endlich eine Strategie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen – und somit auch der Pflege. Der Innovationsfonds muss der Pflegeversicherung die Tür öffnen, damit die Finanzierung digitaler Innovationen Einzug in die Pflege erhält. Ein Pflege-Digitalpakt sollte ermöglichen, die Anwendungen auch in die tägliche Praxis zu bekommen.

Wesentlich ist dabei, dass all die Menschen an der Entwicklung mitwirken, die die Anwendungen später nutzen. Denn nur gemeinsam gehen wir den Weg erfolgreich – hin zu einer Digitalisierung der Pflege.

 

Erich Irlstorfer, Pflegepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Es muss ganz klar festgehalten werden, dass die Digitalisierung der Pflege ein Gemeinschaftsprojekt ist. Der digitale Wandel kann nur durch das kontinuierliche und abgestimmte Handeln eines in Wechselwirkung zueinanderstehenden Dreiklangs aus Politik, IT-Branche sowie der Profession Pflege gelingen. Letztere darf künftig nicht nur als komplementärer Faktor wahrgenommen werden, sondern muss als zentrale Anlaufstelle für die Absprache weiterer Maßnahmen primär im Fokus stehen.

Auch der politische Sektor, dem nicht nur die Aufgabe des Schaffens von rechtlichen und normativen Rahmenbedingungen, sondern auch eine mediatorische Rolle zukommt, sollte die Pflege stärker in Entscheidungsprozesse einbinden. Dies gilt besonders für eine zukünftig zu entwickelnde Digitalisierungsstrategie. In ebenso engem Kontakt mit der Pflegeprofession muss die IT-Branche stehen, um mithilfe der praktischen Erfahrungen aus dem Pflegealltag sinnvolle digitale Konzepte zu entwickeln, welche Pflegekräfte aber auch pflegende Angehörige nachhaltig entlasten können.

Die Digitalisierung in der Pflege ist und bleibt ein umfangreiches Vorhaben, dass nur mittels eines koordinierten Agierens aller Akteure umzusetzen sein wird.

 

Nicole Westig, pflegepolitische Sprecherin der FDP—Bundestagsfraktion

Corona hat uns gezeigt, dass umfassende Investitionen in die Digitalisierung dringend erforderlich sind. Dies gilt gerade auch für die Pflege. Digitale Anwendungen können helfen, Menschen mit Pflegebedarf länger in ihrer Häuslichkeit zu belassen. Gleichzeitig können Pflegende entlastet werden. Deshalb sollten Digitale Anwendungen in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen werden und überall zum Einsatz kommen, wo gepflegt wird.

Digitalisierung schafft Teilhabe. So konnte Videotelefonie während der Besuchsverbote in Pflegeheimen den Austausch zwischen Bewohnern und ihren Angehörigen aufrechterhalten. Doch nur in NRW gibt es bereits flächendeckendes WLAN in Pflegeheimen. Andere Bundesländer sollten hier schnellstens nachziehen.

Die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der neuen Pflegeausbildung nicht ausreichend abzubilden, war eine verpasste Chance. Die Pflegeschulen haben versucht, dies bei der Ausgestaltung ihrer individuellen Curricula auszugleichen. So gut es war, diese an den Digitalpakt Schule anzubinden, dürfen auch sie bei der Akquise der Mittel nicht länger an überbordender Bürokratie scheitern. Pflege ist nicht nur ein Beruf mit Zuwendung zum Menschen, sondern sollte auch modern und technologisch anspruchsvoll sein.

 

 

Heike Baehrens, Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion

Der Pflegeberuf ist auch deshalb so attraktiv, weil er ein Zukunftsberuf ist. Er ist nicht durch Digitalisierung oder Automatisierung ersetzbar. Aber digitale Innovationen müssen sehr viel stärker genutzt werden, um mehr Zeit für die Kernaufgaben der Pflege zu gewinnen. Damit solche Innovationen tatsächlich flächendeckend und mit Mehrwert eingesetzt werden können, braucht es eine konsequente Förderung und Refinanzierung digitaler Infrastruktur. Die Nutzung digitaler Tools muss in die Pflegeausbildung und in Weiterbildungsangebote integriert werden, Pflegeanbieter sind gefragt, digitale Instrumente auch vorzuhalten und zu nutzen.

Um dieses Zusammenspiel aller Akteure zu erleichtern, wurden vielfältige Maßnahmen in einer eigenen Arbeitsgruppe im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege erarbeitet. Jetzt heißt es, die dort gefassten Beschlüsse konsequent umzusetzen. Ich halte es dabei für besonders wichtig, dass sich die Pflegebranche aktiv mit einbringt! Das Positionspapier des Deutschen Pflegerats ist hier ein starkes Signal.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 4 der Zeitschrift WIRKSAM